Wer kennt das nicht? Man kommt abends gestresst von der Arbeit nach Hause und hat keinen Nerv mehr für irgendwas und dann kommt es vielleicht noch zu einem Streit mit der Partnerin/dem Partner. Man wirft sich gegenseitig unschöne Dinge an den Kopf und meint, dem/der Anderen erklären zu können, wie sie/er sich zu verhalten habe. Solche Situationen häufen sich unbemerkt ganz schnell und man beginnt sich von einander zu entfernen, wird immer unzufriedener mit seiner Partnerin/seinem Partner. Sich Zeit für einander zu nehmen, sich auszutauschen über das, was einen bewegt/berührt, tatsächlich aufmerksam dem Gegenüber zuzuhören wird immer schwieriger.
Um sich wieder anzunähern oder so einem Szenario präventiv entgegenzuwirken, eignen sich sogenannte "Zwiegespräche", welche vom Paartherapeuten Moeller bereits in den 1980ern entwickelt wurden.
Dabei geht es darum, dass man sich ein Mal wöchentlich ganz bewusst eine Stunde Zeit nimmt, in der jeder drei Mal 10 Minuten sprechen kann ohne vom anderen unterbrochen zu werden und der andere ganz bewusst und konzentriert zuhört. Am besten eignet sich eine Zeit, in der man ungestört ist und in der auch kritischere Themen besprochen werden können. Eine Stunde vor dem Zu-Bett-Gehen ist also vermutlich nicht so passend.
Die Person, die gerade spricht, führt einen Monolog. Das bedeutet, dass sie über alles sprechen kann, dass sie berührt, was sie fühlt. Moeller betont, dass es wichtig ist bei sich zu bleiben und vom eigenen Erleben zu berichten. Es geht nicht darum, dass man dem Partner/der Partnerin erklärt wie er/sie sich fühlt oder fühlen sollte. Das kennt man doch von alltäglichen Auseinandersetzungen, in denen man versucht dem anderen zu erklären wie sie/er sich verhalten oder fühlen sollte. Und vielleicht hast du schon bemerkt, dass Gespräche, die in diese Richtung führen leicht eskalieren und am Ende keiner zufrieden ist.
Vor dem Gespräch kann man vereinbaren, über welches Thema man sprechen möchte. Zum Beispiel Dinge, die die Beziehung betreffen oder das emotionale Erleben zu einem bestimmten Thema. So ein Gespräch macht natürlich nur Sinn, wenn man über dasselbe Thema spricht. Reaktionen oder Antworten auf das Gesagte der Partnerin/des Partners folgen erst in der eigenen Redezeit, man unterbricht sich nicht.
Bei solchen Gesprächen geht es nicht darum, dass man sich gegenseitig DIE Wahrheit predigt, sondern vielmehr darum, dass man Einblick in das individuelle Erleben der Partnerin/des Partners erhält und somit den Anderen besser verstehen lernt.
Solche "Zwiegespräche" sind nur dann sinnvoll, wenn man am Partner/an der Partnerin noch etwas Gutes finden und Liebe empfinden kann. Wenn kein Gespräch auf Augenhöhe mehr möglich ist oder man seine Redezeit zum "Abrechnen" verwendet, wenn schon viele Verletzungen geschehen sind und der Schmerz schon sehr groß ist, dann ist es womöglich besser, wenn man sich professionelle Unterstützung organisiert.
Der Ablauf so eines Gespräches mag komisch klingen. Probiert es doch einfach mal aus und findet raus, ob das etwas für euch ist.
Michael Lukas Moeller. (2018). Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Rowohlt Taschenbuch, Hamburg.
Comentários